Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch Demyelinisierung und Verlust von Nervenzellfortsätzen gekennzeichnet ist. Ein zentrales Merkmal, das in den letzten Jahren verstärkt Aufmerksamkeit erhalten hat, ist die schwelende Neuroinflammation. Dieses Phänomen trägt wesentlich zum Fortschreiten der Krankheit bei und beeinflusst sowohl die Pathogenese als auch therapeutische Ansätze. (1)
Was sind die Auslöser? – Die Entstehung der schwelenden Neuroinflammation
Die schwelende Neuroinflammation bei MS ist geprägt durch eine anhaltende Aktivierung von Mikroglia und Astrozyten im Gehirn. Dies sind Zellen, die normalerweise für die Homöostase und Immunüberwachung verantwortlich sind und können in einen chronisch-aktiven Zustand übergehen. Dabei setzen sie proinflammatorische Zytokine und reaktive Sauerstoffspezies frei, die zu fortschreitender Gewebeschädigung führen. (2,3,4)
Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist die Bildung von sogenannten “smoldering lesions” oder chronisch aktiven Läsionen, also Gewebeschäden im Gehirn oder Rückenmark. Diese Läsionen haben einen aktiven Rand mit fortlaufendem Abbau der schützenden Hülle der Nervenfasern (Demyelinisierung), während das Zentrum bereits neurodegenerativen Veränderungen, also dem Abbau von Nervenzellen, unterliegt. Die anhaltende Entzündungsreaktion in diesen Bereichen trägt zur langsamen Verschlechterung der MS bei, unabhängig von akuten Schüben. (3,4)
Besonderheiten in der MS-Forschung
Die Erforschung der schwelenden Neuroinflammation stellt eine Herausforderung dar, da traditionelle bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie (MRT) nicht immer ausreichend sensitiv sind, um diese subtilen Prozesse zu erfassen. Aktuelle Forschungsansätze nutzen daher fortschrittliche Techniken wie die Hochfeld-MRT oder PET(Positronen-Emissions-Tomographie)-Scans mit spezifischen Markern, die aktivierte Mikroglia sichtbar machen, um diese Veränderungen besser zu erkennen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung therapeutischer Strategien, die gezielt die schwelende Entzündung adressieren. Dabei wird untersucht, wie Immunmodulatoren oder neuroprotektive, (schützende) Substanzen die Aktivität von Mikroglia und Astrozyten beeinflussen können. Zudem gewinnt die Erforschung sogenannter B-Zell-Follikel in den Hirnhäuten an Bedeutung, da diese als potenzielle Quelle für chronische Entzündungsmediatoren gelten. (4)
Wegweisende Erkenntnisse
Die schwelende Neuroinflammation spielt eine entscheidende Rolle im Fortschreiten der Multiplen Sklerose und stellt ein wichtiges Ziel für zukünftige therapeutische Interventionen dar. Ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen ist essenziell, um effektivere Behandlungsstrategien zu entwickeln und die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.
Quellen:
- J. L. Lassmann, “Pathogenic Mechanisms Associated with Different Clinical Courses of Multiple Sclerosis,” Frontiers in Immunology, vol. 10, 2019, DOI: 10.3389/fimmu.2019.00311.
- H. S. Mahad, B. D. Trapp, R. M. Lassmann, “Pathological mechanisms in progressive multiple sclerosis,” The Lancet Neurology, vol. 14, no. 2, 2015, pp. 183-193, DOI: 10.1016/S1474-4422(14)70256-X.
- L. M. Magliozzi, S. Howell, R. Nicholas, S. D. Reynolds, “Inflammatory Intrathecal Profiles and Cortical Damage in Multiple Sclerosis,” Annals of Neurology, vol. 70, no. 3, 2019, pp. 38-52, DOI: 10.1002/ana.24893.
- National Multiple Sclerosis Society, “Neuroinflammation and MS Progression,” 2023, Link.
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