Die geschlechtersensible Medizin, auch Gendermedizin genannt, berücksichtigt die biologischen und soziokulturellen Unterschiede zwischen den „Geschlechtern“ (Sex und Gender), um eine optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten. Sie beschäftigt sich also mit der Interaktion von den biologischen mit den soziokulturellen Geschlechterunterschieden bei der Erhaltung von Gesundheit und Entstehung von Krankheit. (1)

Vergangene Versäumnisse in der Medizin

Historisch gesehen war die medizinische Forschung stark männlich dominiert. Frauen und Personen, die sich als nicht-binär, trans* oder inter* identifizieren, wurden weitgehend vernachlässt oder ignoriert.
Viele medizinische Studien und klinische Tests wurden daher hauptsächlich an Männern durchgeführt. Dies hatte zur Folge, dass die Erkenntnisse nicht immer auf Frauen und andere Geschlechter übertragbar waren.
Ein sogenannter „Gender Data Gap“ entstand: d.h. wichtige Daten und Erkenntnisse über die gesundheitlichen Bedürfnisse dieser Gruppen fehlen. (2,3)

Ein prominentes Beispiel für diese Vernachlässigung ist die Herz-Kreislauf-Forschung. Herzinfarktsymptome bei Frauen unterscheiden sich oft stark von denen bei Männern – entgegen dem bekannten Bild von Schmerzen in der linken Brust äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen unter anderem durch Müdigkeit, Übelkeit und Luftnot. Diese oft unbekannten Unterschiede führen häufig zu Fehldiagnosen und unzureichender Behandlung. Auch in der Pharmakologie wurden Dosierungen und Nebenwirkungen von Medikamenten oft nicht ausreichend für Frauen untersucht. (2)

Die Relevanz der Gendermedizin heute

In den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein für die Bedeutung der geschlechtersensiblen Medizin erhöht. Es gibt Institutionen wie die „Deutsche Gesellschaft für Geschlechterspezifische Medizin“ (DGesGM) sowie Universitäten wie die Universität Bielefeld, welche die Forschung in diesem Bereich weiter vorantreiben und sich für eine umfassendere Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede einsetzen. (2,3)

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Integration von Gendermedizin in die medizinische Ausbildung. In Deutschland sollen Medizinstudiengänge reformiert werden, um geschlechtersensible Medizin in den Lehrplänen zu verankern. Dies soll sicherstellen, dass zukünftige Ärzt*innen besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Patient*innen eingehen können.

Zudem werden spezifische Lehrstühle für Gendermedizin eingerichtet, wie beispielsweise an der Charité Berlin, um die Forschung und Lehre in diesem Bereich zu stärken. Diese Lehrstühle konzentrieren sich darauf, geschlechtersensible Aspekte in die medizinische Praxis zu integrieren und neue Erkenntnisse zu gewinnen, die die Gesundheitsversorgung für alle Geschlechter verbessern. (2)

Schritt in die Zukunft für gerechte Versorgung

Geschlechtersensible Medizin ist ein entscheidender Schritt hin zu einer gerechteren und effektiveren Gesundheitsversorgung. Die Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede trägt dazu bei, Prävention, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zu verbessern.

Obwohl es in der Vergangenheit viele Versäumnisse gab, zeigt die aktuelle Entwicklung, dass das Gesundheitssystem auf einem guten Weg ist, diese Lücken zu schließen und eine umfassendere, inklusivere medizinische Versorgung zu bieten.

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